Photovoltaik-Pflicht in Baden-Württemberg: ein Überblick
Mit einer Änderung des Baden-Württembergischen Klimaschutzgesetzes (KSG BW) im Jahr 2020 wurde die Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen auf Dachflächen eingeführt (Paragrafen 8a bis 8e des KSG BW). Damit sollte der Photovoltaikausbau im Gebäudesektor gezielt verstärkt werden und damit auch das Ziel der Landesregierung erreicht werden, die Bruttostromerzeugung aus Photovoltaik deutlich zu erhöhen.
Dies wurde im Jahr 2021 durch die Verordnung des Umweltministeriums zu den Pflichten zur Installation von Photovoltaikanlagen auf Dach- und Parkplatzflächen – Photovoltaik-Pflicht-Verordnung oder kurz PVPf-VO – durch ergänzende Regeln konkretisiert. Mit der PVPf-VO wurden Vorgaben für die Installation von Anlagen auf Neubauten von Wohn- und Nichtwohngebäuden, auf Parkplätzen und auf Bestandsgebäuden bei einer grundlegenden Dachsanierung getroffen.
Für das SHK-Handwerk bietet die Photovoltaik-Pflicht Herausforderungen und Chancen zugleich. Die zum Teil komplexen Anforderungen der PVPf-VO müssen den Kunden in der Beratung zunächst erläutert werden, um sie anschließend mit maßgeschneiderten Angeboten bei der Umsetzung zu unterstützen. Der höhere Beratungs- und Planungsaufwand geht mit der Chance einher, hochwertige Solaranlagen installieren zu können. So lässt sich das Geschäftsfeld erneuerbare Energien stärken und ausbauen. Gleichzeitig wird die CO₂-Einsparung im Sinne des Klimaschutzes vorangebracht.
Ab wann gilt die Photovoltaikpflicht?
Abhängig von der Art des Bauvorhabens ist die Photovoltaikpflicht wie folgt in Kraft getreten:
- Neubau Parkplatz: 1. Januar 2022
- Neubau Nichtwohngebäude: 1. Januar 2022
- Neubau Wohngebäude: 1. Mai 2022
- Grundlegende Dachsanierung: 1. Januar 2023
Kann auch eine Solarthermie-Anlage installiert werden?
Zur Erfüllung der Photovoltaikpflicht kann ersatzweise auch eine solarthermische Anlage zur Wärmeerzeugung auf der für eine Solarnutzung geeigneten Dachfläche, auf Außenflächen des Gebäudes oder in dessen unmittelbarer räumlichen Umgebung installiert werden. Der anzurechnende Flächenanteil für die Pflichterfüllung entspricht demjenigen einer Photovoltaiknutzung.
Durch die Option, die Pflicht auch durch die Installation einer solarthermischen Anlage zu erfüllen, soll nach Angaben des Landes in der Gesetzesbegründung die Wahlfreiheit erhalten bleiben, eine zur Solarnutzung geeignete Dachfläche ebenso zur Wärmeversorgung eines Gebäudes zu nutzen. Der Fachverband hatte sich hier im Vorfeld bei der Landesregierung dafür eingesetzt, eine Solarpflicht nicht nur auf die Photovoltaik zu begrenzen, sondern auch die Solarthermie zu berücksichtigen. Hier konnte der Fachverband einen wichtigen Erfolg für die SHK-Betriebe erzielen.
Welche Bestimmungen ergeben sich aus dem KSG BW und der PVPf-VO?
Neubau Parkplatz
Die Pflicht greift bei der Neuerrichtung von offenen Parkplätzen mit mehr als 35 Stellplätzen. Über mindestens 60 Prozent der für eine Solarnutzung geeigneten Stellplatzfläche muss eine Photovoltaikanlage installiert werden. Eine Solarther- mieanlage kann beim Parkplatz nicht zur Pflichterfüllung herangezogen werden.
Mindestanforderungen für zur Solar- nutzung geeignete Dachflächen
Eine Dachfläche gilt als zur Solarnutzung geeignet, wenn
- Mindestens eine ihrer Einzeldachflächen hat eine zusammenhängende Mindestfläche von 20 Quadratmetern und eine Neigung von höchstens 20 Grad oder bei einer Neigung von 20 bis 60 Grad nach Westen, Osten und allen dazwischenliegenden Himmelsrichtungen zur südlichen Hemisphäre ausgerichtet ist (Standardnachweis).
- Mindestens eine Teildachfläche dieser Einzeldachflächen weist eine zusammenhängende Mindestfläche von 20 Quadratmetern auf, ist hinreichend von der Sonne beschienen, hinreichend eben und keiner notwendigen Nutzung vorbehalten, die einer Solarnutzung entgegensteht (erweiterter Nachweis).
Definitionen
- Eine Teildachfläche ist hinreichend von der Sonne beschienen, wenn sie nicht oder nur geringfügig verschattet ist. Teildachflächen gelten als nur geringfügig verschattet, wenn die Jahressumme der auf sie fallenden solaren Einstrahlungsmenge mindestens 75 Prozent im Vergleich zu einer unverschatteten Fläche mit einer Neigung von 35 Grad in Richtung Süden beträgt.
- Hinreichend eben sind plane zweidimensionale Teildachflächen, auch wenn ihre Oberfläche raue dreidimensionale Anteile aufweist, einschließlich untergeordneter technischer und baulicher Konstruktionen und Einrichtungen bis zu einer Höhe von 0,2 Metern, die der einfachen technischen Installation von Photovoltaikmodulen auf marktüblichen Montagegestellen nicht entgegenstehen.
Neubau Nichtwohngebäude
Hier ist eine Modulfläche in der Größe von mindestens 60 Prozent der geeigneten Einzeldachflächen (Standardnachweis) oder von mindestens 75 Prozent der geeigneten Teildachflächen (erweiterter Nachweis) zu installieren.
Neubau Wohngebäude
Hier gelten die gleichen Anforderungen wie beim Nichtwohngebäude. Zusätzlich besteht beim Neubau eines Wohngebäudes die Möglichkeit, den Umfang der Mindestnutzung alternativ anhand der installierten Leistung zu berechnen. Die Photovoltaikpflicht gilt als erfüllt, wenn die Anlage eine installierte Mindestleistung von 0,06 Kilowatt Peak je Quadratmeter der überbauten Grundstücksfläche aufweist.
Ausbau oder Anbau
Der Ausbau oder Anbau ist wie ein Neubau zu betrachten, wenn dadurch eine neue, zur Solarnutzung geeignete Dach- oder Stellplatzfläche entsteht. Bereits bestehende Flächen werden nicht berücksichtigt.
Grundlegende Dachsanierung
Grundlegende Dachsanierungen im Sinne der PVPf-VO sind Baumaßnahmen, bei denen die Abdichtung oder die Eindeckung eines Daches vollständig erneuert wird. Gleiches gilt auch bei einer Wiederverwendung von Baustoffen. Ausgenommen sind Maßnahmen zur Behebung kurzfristig eingetretener Schäden. Für die Pflicht gelten die gleichen Anforderungen wie beim Wohngebäude.
Ungeeignete Dachflächen
Als für eine Solarnutzung ungeeignet gelten:
- Unterirdische Bauten
- Fliegende Bauten
- Gebäude mit einer Nutzfläche von weniger als 50 Quadratmetern
- Gebäude mit Dachflächen, die temporär entfernt oder bewegt werden müssen
- Gebäude im Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung, bei denen Photovoltaikanlagen die Verhinderung oder Begrenzung von Störfällen erschweren
- Gebäude mit Dachflächen, auf denen eine Solarnutzung eine Gefahr für Personen oder Sachen darstellt
- Bauvorhaben ohne Anschluss an ein Elektrizitätsversorgungsnetz
Auf solchen Flächen gilt die Solarpflicht nicht.
Wirtschaftliche Unzumutbarkeit beim Neubau
Ist die Pflichterfüllung mit unverhältnismäßig hohem wirtschaftlichem Aufwand verbunden, kann ein Antrag auf Befreiung gestellt werden. Die Unzumutbarkeit ist gegeben, wenn die Durchführbarkeit des Bauvorhabens durch die Photovoltaikpflicht gefährdet wäre.
Die Schwellenwerte für die Kosten der Photovoltaikanlage im Verhältnis zu den Baukosten sind:
- Neubau Wohngebäude: 10 Prozent
- Neubau Nichtwohngebäude: 20 Prozent
- Neubau Parkplatz mit mindestens 35 Stellplätzen: 30 Prozent
Bis zu diesen Schwellenwerten kann eine teilweise Befreiung erfolgen. Die ansetzbaren Kosten der Solaranlage umfassen:
- Planungskosten
- Modulkosten
- Kosten für Unterkonstruktion
- Wechselrichter
- Messeinrichtungen
- Netzanschluss
- Montagekosten
- Sonstige Systemkosten (z. B. Brandschutz, Sicherheit, Statik)
Diese Kosten sind den gesamten Baukosten ohne Grundstückskosten gegenüberzustellen. Befreiungsanträge müssen mit der Bauvorlage eingereicht werden.
Wirtschaftliche Unzumutbarkeit bei grundlegender Dachsanierung
Bei der grundlegenden Dachsanierung im Bestand können sich Mehrkosten insbesondere aufgrund von zusätzlichen bau- und elektrotechnischen Maßnahmen ergeben. So kann es beispielsweise erforderlich sein, die Tragfähigkeit eines Gebäudes an die zusätzliche Last der Photovoltaikmodule anzupassen.
Übersteigen die mit der Installation einer Photovoltaikanlage verbundenen Netzanschluss- und sonstigen Systemkosten einen Anteil von mehr als 70 Prozent der Kosten der Photovoltaikanlage, sind die Bauherrinnen und Bauherren bei grundlegenden Dachsanierungen von der Photovoltaikpflicht auf Antrag vollständig zu befreien. Es muss dann auch nicht, wie es beim Neubau der Fall ist, eine verkleinerte Anlage errichtet werden.
Die Antragsstellung muss jeweils mindestens zwei Monate vor Verfahrensbeginn erfolgen.
Dachbegrünung
Besteht eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Dachbegrünung auf einer geeigneten Einzeldachfläche oder Teildachfläche, muss auf dieser Fläche nur die Hälfte der geforderten Kollektorfläche errichtet werden.
Wo finden Mitgliedsbetriebe Informationen?
Im Zusammenhang mit dieser neuen Pflicht gibt es immer wieder Fragen. Zum Einstieg in das Thema hat das Umweltministerium einen Flyer veröffentlicht sowie eine FAQ-Liste zusammengestellt:
FAQ zur Photovoltaikpflicht
Unter der genannten Webseite finden Sie auch die Befreiungsanträge für die Photovoltaikpflicht. Diese sind zusätzlich im Downloadcenter des Fachverbandes unter
www.fvshkbw.de (Suchwort: PVPflicht) zu finden.
Das Photovoltaik-Netzwerk Baden-Württemberg bietet ebenfalls eine Webseite mit ausführlichen Informationen zum Thema PV-Pflicht unter
Photovoltaik BW
Welche Besonderheiten müssen Klempnerbetriebe beachten?
Klempnerfachbetriebe können von der PV-Pflicht bei der Errichtung oder grundlegenden Sanierung von Metalldächern betroffen sein. Auch bei einem neuen oder einem grundlegend sanierten Metalldach greift diese Pflicht.
Neue bzw. zu sanierende Metalldächer müssen bereits so geplant und befestigt werden, dass sie die zusätzliche Last (Gewicht und Windlast) einer PV-Anlage oder einer solarthermischen Anlage schadlos aufnehmen können.
Allgemein anerkannte Regeln der Technik existieren für den Fall des zusätzlichen Lasteintrags durch Solar- oder PV-Anlagen im Falle von Metalldächern jedoch noch nicht.
Ist beim Neubau oder bei der Dachsanierung schon bekannt, welche Photovoltaikanlage in welcher Größe installiert werden soll, so kann ein Statiker hinzugezogen werden. Dieser kann berechnen, wie die Solaranlage auf dem Metalldach befestigt werden kann – das heißt, wie der Lastabtrag von Gewicht und Windsog über Befestigungselemente, sogenannte Haften, sicher erfolgt.
Um rechtssicher zu agieren, kann entweder eine verbindliche Auslegung der Haften durch den Lieferanten der Haften erfolgen oder ein Statiker mit der Auslegung beauftragt werden.
Eine nicht sinnvoll zu lösende Situation entsteht jedoch, wenn noch nicht bekannt ist, welche Solaranlage auf dem Dach installiert werden soll. Da keine allgemein anerkannte Regel der Technik existiert und die Haftenhersteller oder ein Statiker hierzu aufgrund fehlender Vorgaben auch noch keine Berechnung durchführen können, ist es in der Realität heute noch nicht möglich, ein Metalldach zu planen und zu bauen, welches dann eine noch unbekannte Solaranlage aufnehmen kann.
Sollte der Planer in seiner Ausschreibung oder der Bauherr in seinem Auftrag nicht erwähnen, dass eine Solaranlage auf dem Dach installiert werden soll, muss der Klempner auf die Anforderungen der PVPf-VO hinweisen.
Darum empfiehlt der Fachverband, bei jedem Angebot einen Vermerk aufzunehmen, in dem auf die Anforderungen der PVPf-VO hingewiesen wird. Zusätzlich sollte das Angebot die Kosten für einen statischen Nachweis und den Mehraufwand für die Erfüllung der Statik in einer Eventualposition beinhalten.
Sollte der Auftraggeber trotz des Hinweises auf die Nichterfüllung der PVPf-VO beharren, muss vor Ausführung schriftlich Bedenken angemeldet werden. Im Rahmen der Bedenkenanmeldung muss aufgeführt werden, dass mit der Ausführung die PVPf-VO nicht umgesetzt werden kann. Weiterhin ist detailliert darzulegen, was notwendig wäre, um später eine Solaranlage nachrüsten zu können.
Das Metalldach zuerst herkömmlich herzustellen und später eine Solaranlage nachzurüsten, würde zu einer völlig unwirtschaftlichen Situation führen. In diesem Fall müsste aufgrund des Konstruktionsprinzips von Metalldächern die oberste Metallschicht wieder komplett geöffnet werden. Dies ist zerstörungsfrei kaum möglich und kommt vom Aufwand her einer Neukonstruktion des Daches nahe.
Wichtig: Klempnerbetriebe müssen also im Vorfeld von Arbeiten an Metalldächern unbedingt die PVPf-VO im Auge behalten und sich gegenüber dem Auftraggeber absichern, um etwaige Risiken und Forderungen im späteren Bauverlauf ausschließen zu können.
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